Wie verhält sich "Künstliche Intelligenz" zur Kultur der Digitalität, wie ich sie beschrieben habe? Das ist natürlich nicht leicht zu beantworten, weil die Dinge sehr stark im Fluss sind und KI ein weites, unklar umrissenes und in sich durchaus vielfältiges Feld ist.
Um nicht ganz den Überblick zu verlieren, fokussiere ich im Folgenden vor allem auf generative KI und ChatGPT insbesondere.
Das Bedürfnis nach horizontaler Kommunikation, das seit den Anfängen des Internets die Entwicklung wesentlich beeinflusst hat, ist ungebrochen. In die Krise geraten ist deshalb auch nur ein ganz bestimmtes – wenn auch in der letzten Dekade extrem einflussreiches – Modell, wie dieses Bedürfnis organisiert wird. Mit Mastodon besteht nun zum ersten Mal seit Langem wieder die Chance auf eine nicht rein kommerzielle Infrastruktur für Alltagskommunikation. Und das ist im Hinblick auf demokratische Kommunikation sehr zu begrüßen
Die alten Formen der Demokratie, die etablierten Wege, wie die Öffentlichkeit aufgebaut wurde, befinden sich in einer tiefen Krise, und Appelle an eine idealisierte Vergangenheit werden sie nicht retten. Sie sind eindeutig nicht mehr der Aufgabe gewachsen, eine immer komplexere Gesellschaft zu organisieren. Gegen die Wende des erneuerten Autoritarismus sollten wir darüber nachdenken, wie wir uns mit der Kapazität des Digitalen verbinden können, mit der Fähigkeit, neue Wege des Wissens und des Zusammenseins mit der Erfahrung des physischen Raums zu bieten, um der gegenwärtigen Tendenz zur Fragmentierung in immer kleinere Gemeinschaften und der daraus resultierenden Unverständlichkeit der Welt zu begegnen.
Die parlamentarische, repräsentative Demokratie mit ihrem System der Gewaltenteilung, die noch in den 1990er Jahren den Siegeszug um die Welt anzutreten schien, ist unübersehbar in der Krise. In den vereinigten Staaten mit Trump, in Ungarn mit Orban, in den Philippinen mit Duderte, in der Türkei mit Erdogan und an vielen weiteren Orten hat ein neuer Typus von Politikern (aktuell nur Männer) die Macht erobert, der sich ganz offen gegen demokratische Regeln stellt und neue autokratische Strukturen implementiert. Von ehemaligen Volksparteien, die die Nachkriegsordnung geprägt und deren Verankerung in der Bevölkerung Demokratie legitimiert haben, ist, etwa in Frankreich, kaum mehr etwas übrig, und wo sie noch stärker sind, sind sie zum Verwalter des Status Quo geworden, die außer ein müdes “Weiter so!” programmatisch wenig zu bieten scheinen. Die Demokratie wird von außen angegriffen und ist von innen her ausgehöhlt.
Die Gründe dafür sind sicherlich vielfältig. Im Folgenden möchte ich auf einen, aber meines Erachtens sehr wesentlichen, Grund fokussieren: die Veränderungen in der Struktur der Öffentlichkeit, in der demokratische Fragen verhandelt und Entscheide legitimiert werden.
Kurzer Text zu Assange/Wikileaks anlässlich des Filmstarts in Zürich. Es geht mir hierbei nicht um ein Psychogramm (was ich aus der Distanz gar nicht leisten kann und will), sondern um die Verdienste und Sackgassen von Wikileaks als Form der Journalismus.
Seit August 2012 sitzt Julian Assange als politischer Flüchtling im Asyl in einem 20 Quadratmeter grossen Raum in der ecuadorianischen Botschaft in London, die in einem unscheinbaren Appartement im Stadtteil Knightsbridge untergebracht ist. Dieser Raum dient als Schlaf-, Wohn- und Arbeitszimmer, als Konferenzraum für Besucher und als globaler Hauptsitz von Wikileaks, dem umstrittensten Medienunternehmen der letzten Dekade. Die Strafuntersuchung gegen Assange in Schweden wurde zwar in der Zwischenzeit eingestellt, die britische Regierung erklärte allerdings umgehend, dass sie Assange wegen Verletzung der Kautionsbedingungen gleich verhaften würde, sollte er die Botschaft verlassen.
Ich habe den Eintrag zur "Wissensgesellschaft" für Smarte Worte. Das kritische Lexikon der Digitalisierung verfasst. [ PDF]
Aus dem Vorwort der HerausgeberInnen:
Immer weitere Bereiche unseres Alltags und unseres öffentlichen Lebens werden von intransparenten und nicht mehr nachvollziehbaren technischen Systemen beeinflusst oder gar gesteuert. Der US-amerikanische Juraprofessor Frank Pasquale spricht in diesem Zusammenhang von einer Black-Box-Gesellschaft. Angesichts der zu befürchtenden und schon jetzt zu beobachtenden Entdemokratisierungstendenzen ist es unserer Ansicht nach dringend an der Zeit für ein kritisches Auspacken dieser algorithmischen Systeme und der dahinterstehenden Geschäftsmodelle des Überwachungskapitalismus.
Wissensgessellschaft
Wissensgesellschaft ist ein ambitionierter, aber höchst unscharfer Großbegriff, der besonders im deutschen Sprachraum oft anstelle des etwas zurückhaltenderen Begriffs Informationsgesellschaft verwendet wird. Der Begriff stammt aus den US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaften, die damit die Auswirkungen der wachsenden Komplexität von Verwaltung und Wirtschaft der Nachkriegsjahre zu fassen versuchten. 1957 sprach der Managementtheoretiker Peter Drucker erstmals vom Wissensarbeiter (»knowledge worker«), um damit eine wachsende Klasse von Angestellten in privaten wie öffentlichen Verwaltungs-, Entwicklungs- und Forschungsabteilungen zu bezeichnen, deren Aufgabe es war, komplexe, wissenschaftlich gestützte Tätigkeiten auszuüben. 1962 veröffentlichte der Makroökonom Fritz Machlup die empirische Studie »The Production and Distribution of Knowledge in the United States« in der er resümierte, dass bereits mehr als 40 Prozent aller Beschäftigten in der »Wissensökonomie« (»knowledge economy«) tätig seien. Die empirische Orientierung auf die US-Wirtschaft hatte zur Folge, dass stillschweigend vorausgesetzt wurde, dass die Wissensgesellschaft eine kapitalistische sei und Wissen als Eigentum zu behandeln sei. Daran hat sich bis heute wenig geändert.
If you prefer to read, here is the manuscript of the talk.
Algorithms we need
Initially, I wrote this talk in German, but decided in the last minute to give it in English. However, I hate to translate my own texts. So the English you hear now is 85% machine translation and 15% corrections by me. Perhaps you can tell which is which. The accent is 100% me. Or should I say, Canadian English filtered through Swiss German? It's hard to draw boundaries, these days.
Anyway, let me start with three assumptions. First, we need algorithms as part of an infrastructure that allows social complexity and dynamics to meet our real challenges. Second, many of the algorithms are made poorly. I think, in particular, of those that shape day-to-day social practices, algorithms that do what sociologists call "social sorting" (David Lyon) or "automatic discrimination" (Oscar H. Gandy). However, this will be the third point, these issues of poor design are only part of the problem because there is no autonomous technology, even if it is called "intelligent" or "self-learning".
We need algorithms
When I talk about algorithms, I do not mean isolated computer code, but socio-technical systems and institutional processes that automate parts of decision-making.
Vom Hashtag zur Bürgerbewegung (28.09.2016). Der Beitrag von Heiko Behr geht der Frage nach, wie neue und konventionelle Protestformen zusammenhängen, am Beispiel von #BlackLivesMatter. Ich liefere dabei Hintergrund zu strukturellen Transformationen.
Sind Digitale Kultur und Privatsphäre unvereinbar?
Ich würde sagen, das ist eine Behauptung, die vor allem von denen artikuliert wird, die Interesse daran haben, mit unseren privaten Daten Geschäfte zu machen. Wir leben leider in einer Welt, in der sehr viele dieses Interesse haben. Aber wir sehen ja jetzt, gerade in dieser Auseinandersetzung zwischen Apple und dem FBI, dass es hier tatsächlich um sehr vieles geht – es ist auch politisch wichtig, dass es in Zukunft nicht so bleibt, wie es jetzt ist.
Nutzt Apple dem User oder nutzt Apple den User aus?
Wir tauschen uns mit Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen in einem "horizontalen Verhältnis" aus: Ich rede mit Ihnen, Sie reden mit mir. Gleichzeitig machen wir das in einer Infrastruktur, die daraus Daten generiert, die dann Dritte benutzen können, zum Beispiel der Provider der Infrastruktur oder Gewerbetreibende oder die Strafverfolgungsbehörde.
Und Apple ist da, ähnlich wie Facebook, ein gutes Beispiel. Apple gibt uns die Möglichkeit, zu kommunizieren, Fotos zu teilen, digitale Produkte herzustellen. Aber Apple zwingt uns auch in eine Infrastruktur, in der der Konzern immer alles sieht. Apple ist also ein gutes Beispiel dafür, dass wir einerseits in einer sozialen Gemeinschaft agieren, aber gleichzeitig – und vielleicht auch vor allem! – in sozialen Fabriken für andere arbeiten.
Was bedeutet es, dass Apple Hardware und Software aus einer Hand anbietet?
«Echtzeit». So bezeichnet man die verzögerungsfreie Übertragung von Informationen über grössere Distanzen und die damit einhergehende Möglichkeit, entfernte Akteure miteinander in Verbindung zu bringen, als wären sie am selben physischen Ort. Streng genommen ist das eine unerreichbare Utopie. Sowohl die Codierung auf der einen als auch die Dekodierung auf der anderen Seite – die Übertragung dazwischen sowieso – führen immer zu Verzögerungen. Schneller als Lichtgeschwindigkeit kann es nicht gehen. Für einige Akteure, etwa im Hochgeschwindigkeitshandel an den Börsen, ist diese technische Einschränkung äusserst relevant. Grosse Summen werden investiert, um Verzögerungen weiter zu senken. So wurde im Herbst 2015 ein neues 4600 Kilometer langes, 300 Millionen Dollar teures Unterseekabel zwischen London und New York (Hibernia Express) angeschlossen, dessen einziger Zweck es ist, dank einer etwas direkteren Route den Datenverkehr zwischen London und New York um knapp fünf Millisekunden zu beschleunigen.