Interview vom 30.3.2016 im SWR2 Kulturgespräch. Die schriftliche Fassung ist gekürzt. Das vollständige Interview ist im Audiobeitrag zu hören.
Sind Digitale Kultur und Privatsphäre unvereinbar?
Ich würde sagen, das ist eine Behauptung, die vor allem von denen artikuliert wird, die Interesse daran haben, mit unseren privaten Daten Geschäfte zu machen. Wir leben leider in einer Welt, in der sehr viele dieses Interesse haben. Aber wir sehen ja jetzt, gerade in dieser Auseinandersetzung zwischen Apple und dem FBI, dass es hier tatsächlich um sehr vieles geht – es ist auch politisch wichtig, dass es in Zukunft nicht so bleibt, wie es jetzt ist.
Nutzt Apple dem User oder nutzt Apple den User aus?
Wir tauschen uns mit Freunden, Bekannten und Arbeitskollegen in einem "horizontalen Verhältnis" aus: Ich rede mit Ihnen, Sie reden mit mir. Gleichzeitig machen wir das in einer Infrastruktur, die daraus Daten generiert, die dann Dritte benutzen können, zum Beispiel der Provider der Infrastruktur oder Gewerbetreibende oder die Strafverfolgungsbehörde.
Und Apple ist da, ähnlich wie Facebook, ein gutes Beispiel. Apple gibt uns die Möglichkeit, zu kommunizieren, Fotos zu teilen, digitale Produkte herzustellen. Aber Apple zwingt uns auch in eine Infrastruktur, in der der Konzern immer alles sieht. Apple ist also ein gutes Beispiel dafür, dass wir einerseits in einer sozialen Gemeinschaft agieren, aber gleichzeitig – und vielleicht auch vor allem! – in sozialen Fabriken für andere arbeiten.
Was bedeutet es, dass Apple Hardware und Software aus einer Hand anbietet?
Nirgends im gesamten Computeruniversum ist die Kontrolle von Hardware und Software so eng zusammengeführt wie bei Apple. Dadurch hat der Konzern eine ungeheure Kontrolle: Nicht nur darüber, was wir machen wollen – sondern auch dadurch, was wir machen können. Apple kontrolliert jede einzelne Software, die beispielsweise in den App-Store geht.
"Richard Stallman, der Gründer der Freien Software Bewegung, hat vor einigen Jahren mal gesagt, Steve Jobs sei der Mann, dem es gelungen wäre, Gefängnisse cool erscheinen zu lassen." Felix Stalder
Mit Apple ist man in einer geschlossenen Umgebung, in der man nicht selbst entscheiden kann, sondern nur auswählen kann, was schon für einen vorbestimmt ist. Und das ist natürlich eine enorme Einschränkung der eigenen Freiheit. Gleichzeitig hat Apple es geschafft, das Ganze in ein sehr nutzerfreundliches Paket zu packen, in der diese Beschränkung nicht so stark auffällt.
Security vor Apple-Gebäude, New York
Arbeitszeit und Freizeit, Information und Unterhaltung verschmelzen immer mehr. Ist das das eigentlich Bedenkliche?
Das Problem ist weniger die Entgrenzung dieser beiden Bereiche, sondern dass alles geschluckt wird von Unternehmen, die sozusagen einer 24-Stunden-Profitorientierung unterworfen sind oder uns aufdrücken. Das Versprechen, als ganzheitliche Person auftreten zu können - ohne diese etwas willkürliche Rollenteilung in Arbeit und Freizeit - wird jetzt aber davon eingeholt, dass wir sozusagen immer arbeiten müssen.
Was wäre Ihre Lösung?
Der Oberbegriff für diese alternativen Vorstellungen sind die "Commons" oder die Wissensallmende, also: Ideen, wie man gemeinschaftliche Dinge herstellt, die nicht notwendigerweise für den Verkauf bestimmt sind oder auf einem Wissensmonopol beruhen, sondern von denjenigen, die das wollen, genutzt und bearbeitet werden können.
Zum Beispiel "Wikipedia": Das ist nicht nur eine Ressource, an der viele Menschen arbeiten, sondern sie stellt auch die Daten wiederum der Gemeinschaft zur Verfügung. Darum ist "Wikipedia" – mit all den Problemen, die wir gar nicht kleinreden wollen – eine der bestuntersuchten und transparentesten Gemeinschaften. Nicht der Einzelne soll transparent gegenüber der zentralen Institution sein, – ob nun Apple oder Google oder der NSA – sondern die Gemeinschaft als Ganzes soll eine Vorstellung von ihren internen Dynamiken bekommen. Und hier werden bereits viele Dinge ausprobiert, die durchaus positiv sind und Hoffnung machen.