Wie verhält sich "Künstliche Intelligenz" zur Kultur der Digitalität, wie ich sie beschrieben habe? Das ist natürlich nicht leicht zu beantworten, weil die Dinge sehr stark im Fluss sind und KI ein weites, unklar umrissenes und in sich durchaus vielfältiges Feld ist.

Um nicht ganz den Überblick zu verlieren, fokussiere ich im Folgenden vor allem auf generative KI und ChatGPT insbesondere.

Wenn ich bei dem Raster, das ich im Buch entworfen habe, bleibe, dann scheint es recht klar, dass die KI die Balance zwischen Referentialität, Gemeinschaftlichkeit und Algorithmizität stark hin zu letzterem verschiebt.

Ein generierter Text ist nicht referenziell, weil die darin enthaltenen Materialien nicht mehr als solche erkennbar sind. Er ist synthetisch, er schafft eine neue Realität, die ohne Verweise auskommt. Das macht es u.a. so schwierig, zwischen Aussagen, die lediglich glaubhaft klingen, und solchen, die faktisch korrekt sind, zu unterscheiden.

Auch das gemeinschaftliche Element fällt weitgehend weg und wird durch eine eins-zu-eins Beziehung mit der KI ersetzt. Das soziale Netzwerk als Ort der Generierung eines gemeinschaftlichen Horizonts wird geschwächt. Es ist nicht so, dass die Krise der sozialen Netzwerke durch die KI ausgelöst worden wäre, aber die wird dadurch sicher noch verschärft. Man braucht sie weniger und sie werden noch weniger zuverlässig, wenn es immer schwieriger wird, Menschen von Bots zu unterscheiden.

Ich habe ja Algorithmizität als recht ambivalent beschrieben. Einerseits brauchen wir solche Prozesse und Techniken, um mit der grossen Informations-/Datenflut umzugehen, die unseren Alltag ausmacht, andererseits sind in diesen Techniken extreme Machtdifferentiale eingebaut, die demokratiepolitisch wirklich problematisch sind. Ich denke, dasselbe gilt, wohl noch radikaler, für KI. Man kann sich darüber streiten, ob wir generative KI wirklich brauchen, bisher ist ja noch kein use-case aufgetaucht, der die Investitionen rechtfertigen würde, aber andere Formen der KI (oder des machine learning) sind sicherlich nützlich und werden entsprechend auch nicht mehr verschwinden. Aber wie verhindert man die darin eingebauten Dynamiken der Zentralisierung und der Ungleichheit? Das scheint mir eine grosse und dringende Frage zu sein, denn Demokratie erträgt nur einen gewissen Grad an Ungleichheit.

Was im Rahmen, den ich in KdD skizziert habe, fehlt, ist die ökologische Dimension der Digitalität. Das ist eine recht grosse Leerstelle, die aber mit dem riesigen Ressourcenverbrauch der KI nicht mehr leer bleiben darf. Wir sehen immer mehr, dass die Infrastruktur der Digitalität, in Bezug auf Strom- und Wasserverbrauch, direkt in Konkurrenz mit den Bedürfnissen der Menschen und der Biosphäre als Ganzes tritt. Daraus müsste sich, so meine Überzeugung, ein neues Abwägen, wann und wo wir diese Technologien einsetzen wollen, ergeben. Stattdessen sind wir wieder auf einem sehr unnachhaltigen Pfad des unendlichen Wachstums.