Kunstforum_TitelSeit bald 150 Jahren soll das moderne Urheberrecht (UHR) den Umgang mit „Werke[n] der Literatur, Wissenschaft und Kunst“ (§ 1, des aktuellen deutschen Urheberrechtsgesetz) regeln. Rund 100 Jahre zurück reichen die Anfänge der avantgardistischen Subversion bürgerlich-romantischer Konzeptionen von „KünstlerIn“ und „Werk“, die auch dem UHR zugrunde liegen. Durch die Einführung des Prinzips Zufall, die Verwendung bestehender kultureller Artefakte, die Betonung der Rolle des Unterbewussten, oder die direkte Intervention in soziale Prozesse wurde die Vorstellung des autonomen, aus sich selbst schöpfenden Subjekts von allen Seiten untergraben. Dessen ungeachtet propagierte der expandierende Kunstmarkt genau dieses KünstlerInnenbild. Vor diesem Hintergrund ist es fast erstaunlich, dass das Urheberrecht selbst erst sehr spät im Feld der Kunst direkt relevant wurde. Der erste große Gerichtsfall fand 1990-92 statt. Der Photograph Art Rogers verklagte den Künstler Jeff Koons, weil dieser nach Vorlage einer Postkarte von Rogers (Puppies, 1986) eine Skulptur (A String of Puppies, 1988) anfertigen ließ und in der Ausstellung Ushering in Banality präsentiert hatte. Im Kern ging es um die Frage, ob es sich hierbei um eine legitime künstlerische Strategie (die sich auf das US-amerikanische Recht des fair use berufen könne) oder um eine unautorisierte Werkbearbeitung handle. Koons verlor den Prozess sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz und sah sich bald mit einer Fülle von Klagen konfrontiert, die konzeptuell vergleichbare Werke betrafen.

Dass der erste große Urheberrechtsstreit genau am Werk von Jeff Koons entbrannte, ist wohl weniger der Radikalität der Aneignung geschuldet (die ja bereits im großen Stil von Pop Art KünstlerInnen in den 1960er Jahren und in der Appropriaton Art der frühen 1980er Jahren betrieben wurde), sondern vielmehr der fortgeschrittenen Durchdringungen künstlerischer und ökonomischer Logiken. Dies wurde in den späten 1980er Jahren von kaum jemandem so offensiv und erfolgreich propagiert wie vom zeitweiligen Wall Street Händler Koons. In dieser Durchdringung spiegeln sich mindestens drei indirekt miteinander verbundene, gesamtgesellschaftliche Phänomene wieder. Zum einen ist die Informationsgesellschaft von einer tiefgreifenden Kulturalisierung der Ökonomie geprägt. Einige der profitabelsten Glieder der Wertschöpfungskette befinden sich nun dort, wo kulturelle Symbole manipuliert werden, etwa in Entwicklung/Design, Marketing, Management oder Finanzierung. Demgegenüber ist die physische Produktion entwertet und teilweise in Billiglohnländer ausgelagert. Damit einhergehend wurde das Bewusstsein für den Wert dieser kulturellen Symbole und ihrer Eigentumsformen im Urheber-, Marken-, und Patentrecht geschärft und Durchsetzungsstrategien hochgefahren. Kommerzielle AkteurInnen versuchten nun vermehrt, kulturelle Artefakte zu produzieren, in Umlauf zu bringen und gleichzeitig ihre immateriellen Eigentumsrechte zu schützen. Dies ließ auch das Feld der Kunst nicht unberührt und trieb die Verrechtlichung der einst vor allem symbolisch-kulturell geführten Debatte voran. Zum anderen fand eine ebenso umfassende Ökonomisierung der Kultur statt. Nicht nur wurden im Kunstmarkt immer höhere Summen umgesetzt (nicht zuletzt von Koons), auch der indirekte Geldwert von Kunst und Kultur wurde erkannt und systematisch in Strategien der Stadt- und Wirtschaftspolitik eingegliedert. Kunst wurde zunehmend gesamtgesellschaftlicher Regulierung unterworfen und ihr relativ autonomer Status, geschützt durch das Grundrecht der Kunstfreiheit, wurde aufgeweicht. Es ist symptomatisch, dass dieses Grundrecht zwar vor staatlicher Zensur schützt, aber sich kaum auf urheberrechtliche Fragen anwenden lässt. Die dritte Entwicklung betrifft sie zunehmende Verschränkung der ehemals relativ getrennten gesellschaftlichen Bereiche der Hoch- und Populärkultur, des künstlerischen und nicht-künstlerischen kulturellen Schaffens (auch dies spiegelt sich im Werk von Koons). Keine dieser Entwicklungen war neu, als Jeff Koons vor Gericht zitiert wurde, aber erst im Verlauf der 1980er Jahre wurden ihre Berührungsflächen so groß, dass die urheberrechtliche Ebene auch in der Kunst relevant wurde.

Die Digitalisierung und Vernetzung, die seit den 1990er Jahren an Geschwindigkeit und Umfang zunahm, hat alle diese Tendenzen nochmals deutlich verstärkt und radikalisiert. Das Resultat ist ein höchst widersprüchlicher Zustand. Der Geltungsbereich des Urheberrechts wird laufend ausgeweitet. Im April 2009 etwa verlängerte das Europäische Parlament die Dauer des Schutzes für Aufzeichnungen von Darbietungen und für Tonträger von 50 auf 70 Jahre. Dazu kommt, dass mehr gesellschaftliche Bereiche als je zuvor vom Urheberrecht berührt werden. Die Kulturalisierung der Wirtschaft, die Digitalisierung und Vernetzung haben dazu geführt, dass die Zahl der Autoren (im rechtlichen Sinne) und die Formen der Werknutzung sprunghaft angestiegen sind. Jeder Blogger produziert geschützte Werke und (fast) jede Verwendung eines fremden Werks ist bewilligungspflichtig. Vor allem die kulturindustriellen AkteurInnen versuchen ihre Rechte aggressiv durchzusetzen. Quasi über Nacht mutierte das Urheberrecht von einem obskuren Randbereich der Rechtsordnung zu einem zentralen Regulierungsinstrument das (fast) jedeN direkt betrifft. Gleichzeitig sind immer mehr Werke de facto frei verfügbar und können mit wenig Aufwand kopiert, verarbeitet und vertrieben werden. Die Schere zwischen dem, was erlaubt ist, und dem, was möglich ist, geht auf.

Diese widersprüchliche Situation wirkt aber nicht nur „von außen“, quasi als Störung, auf das Feld der Kunst ein, sondern wird von KünstlerInnen selbst aktiv bearbeitet. Unter den kritischen Praktiken, die allesamt aus dem Feld der medialen Kunst stammen, lassen sich grob drei Ansätze unterscheiden. KünstlerInnen intervenieren in gesellschaftliche Prozesse, um exemplarische Situationen zu schaffen, welche die Expansion der Eigentumsrechte erfahrbar machen. Andere führen detaillierte Untersuchungen durch, wie das Urheberrecht dem Umgang mit Werken prägt und wo es bei der Fassung aktueller künstlerischer Praktiken an inhärente, konzeptuelle Grenzen stößt. Eine dritte Gruppe vermisst die Konturen einer Lebenswirklichkeit, in der das Urheberrecht seine praktische Relevanz eingebüsst hat. Sie nehmen die freie Verfügbarkeit von Werken aller Art als selbstverständliche Grundlage ihrer Arbeiten.

Die Grenzen der Aneignung

Im Oktober 2003 installierten die italienischen KünstlerInnen Eva und Franko Mattes (0100101110101101.ORG) in Zusammenarbeit mit der Wiener Netzkulturinstitution Public Netbase, t0 einen rund 5 Meter hohen, mobilen Ausstellungspavillon auf dem Wiener Karlsplatz, einem der zentralen Plätze der Stadt. Nike Ground Info BoxNike Ground Info Box An der Außenwand war zu lesen: „This square will soon be called Nikeplatz. Come inside to find out more.“ Drinnen war zu erfahren, dass Nike das Sponsoring dieses Platzes übernommen habe und im Gegenzug nicht nur der Name geändert, sondern auch eine riesige Skulptur in Form des Firmenlogos auf dem Platz aufgestellt würde.Nike Ground SculptureNike Ground Sculpture Desweiteren wurde verkündet, dass der Nikeplatz nur das erste einer ganzen Reihe von „Revitalisierungsprojekten“ sei, mit dem der jugendlich-sportliche Konzern die müden Städte Europas ins 21. Jahrhundert bringen wolle. Unterstützt wurde diese Aktion durch eine eigene Website, die detailliert über das Projekt informierte und mit tausenden von Broschüren, die in der Stadt verteilt wurden. Eine „hyper-reale Theaterperformance“, wie die KünstlerInnen ihre Arbeit bezeichneten, hatte begonnen. PassantInnen zweifelten zunächst nicht an der Authentizität des Auftritts und begannen sich in Leserbriefen und bei der Stadtverwaltung zu beschweren. Diese sah sich genötigt, eine Erklärung abzugeben, dass sie mit dem Projekt nichts zu tun habe und dass Namen von Strassen und Plätzen grundsätzlich nicht geändert werden könnten. Der Nike Konzern distanzierte sich ebenfalls offiziell und kündigte umgehend Klage wegen Urheberrechtsverletzung an. Die KünstlerInnen, die daraufhin erstmals direkt an die Öffentlichkeit traten, wechselten das Register und beriefen sich auf das Motto, das am Eingang der benachbarten Secession angebracht ist: „Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit.“ Den Konzern beeindruckte das wenig und er leitete tatsächlich das Verfahren ein. Aber zu diesem Zeitpunkt war die Performance schon längst beendet und da Nike auch kein Interesse hatte, in dieser Sache noch mehr negative Publizität zu generieren, wurde der Streit außergerichtlich beigelegt.

Die Nikeplatz Performance funktionierte, weil sie einen hohes Maß an Glaubwürdigkeit projizieren konnte. Die haptische Qualität des Pavillons und des Begleitmaterials entsprachen dem Auftreten eines globalen Konzerns. Der Auftritt knüpfte an die weiterverbreite Erfahrung der Durchdringung des öffentlichen Raumes mit kommerziellen Botschaften an, die schon längst die vordefinierten Flächen der Werbung (Plakatwände etc.) verlassen hatten und in die Substanz des Raumes selbst eingedrungen waren. Die traurige Geschichte der stadtplanerischen Probleme rund um den Karlsplatz verstärkten die Glaubwürdigkeit noch weiter. Die exemplarische Situation, die Nikeplatz geschaffen hatte, brachte zwei Fragen an die Oberfläche, die direkt mit der tiefen Durchdringung von Kultur und Wirtschaft zu tun haben: Wo liegt die Grenze der privaten Aneignung öffentlicher kultureller Ressourcen durch deren Umwandlung in geschützte Werke und Symbole? Wo liegen die Grenze, jenseits derer KünstlerInnen nicht mehr frei mit den Symbolen der Gegenwart umgehen können? Wie sich herausstellte wurden in der Performance beide Grenzen überschritten.

Die Grenzen des Urheberrechts

Seit mehr als 10 Jahren untersucht Cornelia Sollfrank die konzeptuellen Grundlagen des Urheberrechts, in dem sie dessen Bausteine aus konsequent künstlerischer Sicht befragt. In ihrer ersten Arbeit in diesem Großprojekt, dem Netzkunstgenerator (1999), ließ sie ein Computerprogramm schreiben, dass nach Stichworten Bilder aus dem Internet sucht und diese dann zu neuen Bildern verarbeitet. Das Programm veröffentlichte sie unter einer freien Lizenz, die es anderen erlaubt, es zu kopieren und zu verändern. Mittlerweile existieren mehrere Versionen dieses Generators. Er dient ihr allerdings weniger als „Bildmaschine“ sondern als eine konzeptuelle Anlage, um anhand eines konkreten Beispiels eine einfache Frage zu stellen, die für die Konzeption des Urheberrechts zentral ist: „Wer ist der Autor?“.Sollfrank: Wer ist Autor?: Still aus „Copyright © 2004. Cornelia Sollfrank“, Video, 45 Min., 2004Sollfrank: Wer ist Autor?: Wie sich herausstellt, kann diese Frage rechtlich kaum beantwortet werden. Dies bedeutet, dass die so geschaffenen Bilder keine Werke darstellen können, was aus Sicht der Rechtsdogmatik folgerichtig aber im Kontext der Kunst offensichtlich absurd ist. In einem nächsten Schritt wandte sie den Generator auf ein Subset von Bildern an, Andy Warhols Blumenbilder. Der erste Versuch, diese Bilder auszustellen, scheiterte, weil das rechtliche Risiko kaum einzuschätzen war. Würde die Warhol Foundation, bekannt für ihre strikte Linie bei der Wahrung der ihr anvertrauten Rechte, Klage einreichen? Stattdessen präsentierte Sollfrank eine neue Arbeit, Legal Perspective (2004), in der sie vier führende Urheberrechtsanwälte zum legalen Status der nicht gezeigten Arbeit befragt. Diese kommen aber zu keiner klare Einschätzung, sondern sie stellen nur weitere rechtsdogmatisch richtige aber kulturell absurde Fragen (war Andy Warhol wirklich ein Künstler?).Cornelia Sollfrank: Still: Still aus „Copyright © 2004. Cornelia Sollfrank“, Video, 45 Min., 2004Cornelia Sollfrank: Still

In einer neuen Serie von Arbeiten befragt sie das Verhältnis zwischen rechtlichen und praktischen Möglichkeiten des Reproduzierens bestehender Kunstwerke. Sie gründete eine eigene Bildagentur, die Reproduktionen professionell herstellt und vertreibt und lässt Bilder in China von Hand nachmalen. Im ersten Fall werden nicht nur die Bilder zum Kauf angeboten, sondern auch das rechtliche Geflecht, das den Umgang mit diesen Bildern regelt, selbst wird thematisiert.Sollfrank, Anonymous_Warhol-flowers: Cornelia Sollfrank, Anonymous_Warhol-flowers. Installationsansicht aus Anna Kournikova Deleted By Memeright Trusted System - Art in the Age of Intellectual Property. Hartware MedienKunstVerein (HMKV), Dortmund 2008.  Foto: Christoph IrrgangSollfrank, Anonymous_Warhol-flowers: Sichtbar wird die enorme rechtliche Komplexität, die auch relativ einfachen Handlungen zugrunde liegt.Sollfrank: Vertragsraum: Cornelia Sollfrank. Vertragsraum (MuseumShop). Ausstellungsansicht. Edith-Ruß-Haus für Medienkunst, Oldenburg 2009 Foto: Christoph IrrgangSollfrank: Vertragsraum: Es wird deutlich, dass nur wenige AkteurInnen in der Lage sein können, sich in diesem Rahmen zu bewegen. Die in China manuell hergestellten Kopien, ihrerseits Unikate, verweisen darauf, dass das Problem der Kopie keineswegs nur ein Digitales ist, sowie auf den ehemals hohen Stellenwert den Kopien genossen, bevor sie durch den Kult der Originalität de-legitimiert wurden.

Leben im Überfluss

Der überbordenden rechtlichen Komplexität des Kopierens und Aneignens fremden Materials steht die praktische Einfachheit gegenüber, mit der solches Material heute online gefunden und bearbeitet werden kann. Nehmen KünstlerInnen diese Situation als Ausgangspunkt, rücken ganz andere Fragen in der Vordergrund. Es geht weniger um die Bedingungen des einzelnen Bildes, als darum, wie mit dem Überschuss an Bildern, der unser Leben mit online Datenbanken und Suchmaschinen charakterisiert, umgegangen werden kann. Aus einer politischen Perspektive nähert sich Daniel Garcia Andújar dieser Frage in seinem groß angelegten Projekt Postcapital. Archive 1991-2001 an.Andújar. Postcapital: Daniel Garcia Andújar. Postcapital. Archive 1989 – 2001. Ausstellungsansicht, Württembergischer Kunstverein 2008, Photo: WKVAndújar. Postcapital: Das Kernstück des Projekts bildet eine Sammlung von rund 250'000 Dokumenten, die Andújar über 10 Jahre im Internet zusammentrug. Das Archiv ist gleichermaßen als Multimedia Installation, Bühne, offene Datenbank und Workshop konzipiert. In wechselnden Formaten wird der Frage nachgegangen, welche Erzählungen sich aus so viel Material konstruieren lassen. Nicht nur mehr professionelle HistorikerInnen stehen vor dieser Herausforderung, sondern sie ist gleichermaßen zu einer Aufgabe für jedermann geworden. Die vielen Verschwörungstheorien, etwa zu den Terroranschlägen des 11. Sept. 2001, zeigen das deutlich. Die Menge des Materials entzieht es einer einheitlichen Interpretation. Dieser Vielfalt – des Materials und der Interpretationen – einen Raum zu geben, ist eines der Anliegen Andújars. Das einzelne Werk (im rechtlichen Sinn) stellt nunmehr einen Ein- oder Ausstieg aus dem Geflecht möglicher Verknüpfungen dar, und bekommt erst dadurch eine konkrete Lesbarkeit. Sinngebung im Archiv ist durch die Spannung zwischen den individuellen Wünschen und den kollektiven Auseinandersetzungen geprägt. Diese macht es nicht nur politisch notwendig, sondern auch möglich, eine Auswahl zu treffen. Auch im Überfluss ist nicht alles gleich. Hierin liegt die Kraft der politischen Imagination dieser Arbeit. Die gekonnte Materialisierung des (digitalen) Archivs in Raum deutet an, dass diese keine Frage mehr ist, die auf das „Internet“ als Teilbereich des Lebens begrenzt werden kann, sondern eine, die die gesamte Gegenwart durchdringt.

Mit dem Überschuss an Bildern beschäftigt sich auch Beat Brogle. Im Zentrum seinen Interesses steht jedoch die wandelbare Ästhetik der Bilderströme. In der ersten Arbeit der Serie OneWordMovie.ch nutzt er die Bildsuchmaschinen, um in Echtzeit strukturelle Filme zu generieren.Brogle: onewordmove.ch: Beat Brogle / Phillip Zimmermann. One Word Movie. Screenshot, 2003Brogle: onewordmove.ch: Das relativ schnelle Tempo der Bildabfolge verunmöglicht es, einzelne Bilder genauer zu betrachten, aber durch präzis gesetzte Wiederholungen und Loops werden Bildgruppen sichtbar und die teilweise merkwürdigen Bild-Text Verbindungen, die aber statistisch relevant sind. Zum Vorschein kommt eine Art kollektive Bildassoziation. Die Arbeit ist formal verwandt mit Sollfrank's Netzkunstgenerator. Bei Brogle taucht aber die Frage des Urheberrechts gar nicht mehr auf, sondern vielmehr liegt das Augenmerk auf den sich wandelnden Bildwelten. Es gibt zu viele Bilder als dass es noch praktikabel wäre, den Status des einzelnen zu bestimmen. In der nachfolgenden, installativen Arbeit Dream Machine werden im Internet veröffentlichte Träume als Grundlage für einen generierten Film genutzt und individuelles und kollektives Assoziieren mit einander verbunden.Brogle: Dream Machine: Beat Brogle. Dream Machine. Fotomontage, 2008 Brogle: Dream Machine: Die Bilder erhalten ihren Charakter in erster Linie über das Beziehungsgeflecht, in das sie eingebettet sind, sowohl in Bezug auf ihren Ursprung (der die Auswahl beeinflusst) und der Form der Präsentation (die zeitlich, strukturell und visuell moduliert werden kann).

Konturen des Übergangs

Wenn man die Arbeiten zusammen sieht, als eine künstlerische Befragung der widersprüchlichen historischen Situation, ergibt sich folgender Eindruck. Die immer tiefere Durchdringung der Kultur und Ökonomie steht an einem Punkt, wo interne Widersprüche nicht mehr zu übersehen sind. Zum einen stößt die Überführung kollektiver Kultur in privates Eigentum an ihre Grenzen. Sie tritt in Konflikt mit einer demokratischen, offenen Debatte und der Freiheit der Kunst. Zum anderen kann das Urheberrecht konzeptuell kaum mehr mit aktuellen kulturellen Entwicklungen mithalten. Gleichzeitig kündigt sich ein veränderter Umgang mit kulturellen Werken an. Ausgangspunkte sind Überfluss und freie Verfügbarkeit. Ins Zentrum der individuellen und kollektiven Bemühungen rücken politische und ästhetische Fragen der Formung von Beziehungen, des Herauslösens und Wiedereinbettens in spezifische Kontexte, die immer situativ, zeitbasiert und damit instabil sind.

Publiziert in: Kunstforum, Bd. 201 (März/April, 2010), s.110-117