Süddeutsche Zeitung: 03.02.2004
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Auch Daten haben Rechte
Regeln zum digitalen Kopierschutz unter Experten umstritten

Musik- und Filmindustrie setzen voll auf das so genannte Digitale Rechte-Management (DRM). Da dieses durch technische Lösungen allein aber nicht funktionieren kann, muss es durch Gesetze abgesichert werden. Informatiker betonen, gerade diese Kombination bedrohe die Wissenschaftsfreiheit. Andere Experten behaupten sogar, man könnte eigentlich sogar ganz auf DRM verzichten. Kontroverser hätten die Standpunkte, die Fachleute auf dem Symposium "DRM und Alternativen" am Wochenende an der Berliner Humboldt-Universität vertraten, nicht sein können. Eingeladen hatte das Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik.

Zunächst erklärte Industrieberater Niels Rump, worum es bei DRM eigentlich gehe. Nämlich darum, Techniken und Standards zu schaffen, mit deren Hilfe man klären kann, wer welche Rechte an digitalen Inhalten hält. Nur wenn das funktioniere, könnten Anbieter darauf aufbauen, um Inhalte -- also Musik, Filme, Texte, Bilder -- über das Internet zu verkaufen. Nur dann sei es auch möglich, alle Beteiligten korrekt zu bezahlen. Rump nennt das "Rights Policy Management". Dieser Prozess mache neunzig Prozent des DRM aus. Nur ein Zehntel beziehe sich auf das "Rights Policy Enforcement", also auf Methoden, diese Rechte durchzusetzen.

Genau dieses Zehntel beherrscht die Debatte. Rüdiger Weis, Mathematiker an den Cryptolabs in Amsterdam, hält DRM für einen "Verstoß gegen die Natur von Daten": Daten seien Bits, und die könnten kopiert werden. Den Rechteinhabern komme es aber in erster Linie darauf an, dieses Kopieren zu verhindern oder zumindest zu kontrollieren. Dafür müssten jedoch in jeden Computer "Aufpasser" eingebaut werden. Dieses geschehe in Form des so genannten "trusted computing". Darunter versteht man Systeme, die es der Software- und Unterhaltungsindustrie ermöglichen, auf den Rechnern der Anwender zu überwachen, ob Programme und Daten von den Anbietern lizensiert sind. Die Gefahren, die davon ausgingen, seien enorm, betont Weis. Denn durch technische Lösungen allein könne DRM niemals lückenlos funktionieren. Darum würden Gesetze erlassen, die es verbieten, DRM-Systeme zu umgehen. Hier setzten die Informatiker an: Denn gerade durch die Gesetzesregelungen werde massiv die Wissenschaftsfreiheit eingeschränkt. Weis schildert, es sei bereits jetzt Forschern in den USA nicht mehr möglich, elektronische Wahlmaschinen zu analysieren, ohne Gefahr zu laufen, gegen Gesetze zu verstoßen.

Die Einschätzung, dass das DRM nur als Zusammenspiel von Technik und Gesetz funktionieren kann, teilte Stefan Bechtold, Jurist an der Universität Tübingen. Er hält es aber für keine gute Idee, alle möglichen Auswirkungen von DRM vorab gesetzlich zu regulieren. Der erste Teil der Urheberrechtsnovelle, die im vergangenen September in Kraft getreten ist, habe genau das versucht. Das Ergebnis sei selbst für Juristen schwer zu durchschauen. Bechtold plädierte dafür, abzuwarten, welche Formen von DRM sich im Markt etablieren, um dann zu beurteilen, ob man mit den Folgen leben könne oder nicht.

Gut leben könnten sie mit den Folgen des "Leichtgewicht-DRM", sagten Rüdiger Grimm und Christian Neubauer. Denn dieses System, das die beiden am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen in Erlangen und an der TU Ilmenau entwickelt haben, versuche nicht, einen bestimmten Umgang mit Daten zu verhindern. Jeder Nutzer könne Daten kopieren, soviel er will, solange er sie mit einem persönlichen Schlüssel "unterschreibe". Auf diese Art lasse sich Missbrauch verfolgen, etwa wenn Musikstücke unerlaubt in Tauschbörsen auftauchten. Gleichzeitig behielten die Nutzer alle Rechte, etwa das, sich eine CD für private Zwecke zu kopieren.

Eine völlig andere Lösung schlägt Felix Stalder von der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich vor: Würde man auf eine Pauschalvergütung setzen, wäre man mit einem Schlag alle mit DRM-Systemen verbundenen Probleme los. Stalder stellte ein Modell vor, bei dem -- vergleichbar einer Rundfunkgebühr -- auf jeden DSL-Anschluss Abgaben erhoben und an die Rechteinhaber verteilt würden. Wieviel Geld sie bekämen, hinge davon ab, wie populär ihre Werke seien. Dies könne man daran ablesen, wie oft ein Musikstück in Tauschbörsen auftauche.

Gerne hätte man auch erfahren, was die weltgrößte Softwarefirma von derartigen Vorschlägen und der Kritik an DRM hält. Microsoft hatte allerdings die Einladung zum Symposium erst gar nicht beantwortet.

Matthias Spielkamp